Nicki

Das bayrische Cowgirl

Es war die Zeit, als die Bühnendekos der TV-Shows mit scheinbar mehr Fernsehern ausgestattet waren als die Haushalte der gesamten westdeutschen Bevölkerung. Man sah „Na sowas“, „Formel 1“ oder die „Hitparade“ mit Viktor Worms. Man hörte Kylie Minogue, Sandra und Depeche Mode und schwärmte für Boris Becker. In diese Szenerie wurde ein Kinderstar geboren, dessen Hits die 80er-Generation so selbstverständlich begleiten sollten wie der Golf II oder der Denver Clan: Nicki.

Wenn man ihren Namen hört, dann stets mit dem gleichen Zusatz: „Das bayrische Cowgirl“. Dabei braucht es diese Erklärung eigentlich nicht: Nicki kennt quasi jeder in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Und irgendwie stimmt sie auch nicht mehr: Die Cowgirl-Zeiten sind vorbei – mittlerweile ist Nicki selbst Mutter zweier „bayrischer Cowgirls“. Doch auch wenn Nicki längst erwachsen geworden ist, ist sie doch immer noch genauso, wie man sie kennt: Quirlig, freundlich und immer gut gelaunt. So wie man sie schon als Teenager kannte, als „Wegen dir“, „I wär am liabsten mit dir ganz alloa“ und „Wenn i mit dir tanz“ zum offiziellen „Bayerischen Kulturgut“ avancierten. Ende der 90er Jahre sagte sie dem Musikgeschäft „Servus“, weil sie sich nach der langjährigen Showkarriere nach einem Familienleben sehnte. Mit ihrem Lebensgefährten Gerhard und ihren Töchtern Sina-Marie und Kimberley wurde dieser Wunsch Wirklichkeit.

Als Freunde sie dann nach einigen Jahren zu einem Comeback überredeten, war ihr nicht bewusst, dass das Familienleben, wenn man es so intensiv lebt wie Nicki, und das Leben für die Bühne nur schwer vereinbar sind. Die Doppelbelastung überforderte sie – ein Nervenzusammenbruch und der Abbruch der Comebackpläne waren die Folge. Zwischenzeitlich sind die Kinder älter und selbstständiger geworden, und Nicki ist wieder fit. Aber sie möchte nie mehr der Karriere wegen wichtige Momente im Leben ihrer Kinder verpassen müssen. Mittlerweile weiss sie den Spagat zwischen Familie und Showgeschäft zu meistern.

Die Sängerin ist nachdenklicher geworden. Eine Frau mit Lebenserfahrungen, schlechten wie guten. So ist auch ihr neues Album musikalisch mitgereift. Statt in der hiterprobten Fifties- und Country-Schablone zu verharren präsentiert es sich als facettenreiches modernes Schlageralbum mit romantischen, persönlichen und nachdenklichen Texten, von denen so viele wie nie aus ihrer eigenen Feder stammen: „Lass di verzaubern“, „Mei ganz’ Leb’n besteht aus Noten“, „Des schaff i scho“. In „Der Fischer und der König“ singt sie erstmals ein musikalisches Märchen. Die Liebeserklärung „I steh no immer auf di“ ist ihrem Lebenspartner gewidmet: „Weilst mit die Kinder täglich Spongebob schaust, steh i no immer auf di“. Auch wenn sich mancher Deutschlehrer ob des ungebeugten Substantivs die Haare raufen dürfte: So etwas kann eben nur Nicki singen – und sie darf das auch. Mit den Disko-Krachern „Endlich Sommer“ und „Du musst koa Engel sei für mi“ mischt sie auch die Tanzflächen wieder auf. Ganz so wie früher! Den letzten Titel des Albums hat sie für ihre Kinder komponiert: Die Ballade „Schlaf doch endlich ein“ gefiel Sina und Kimy so gut, dass sie bei den Aufnahmen gleich mitsangen. So lassen sich Familie und Beruf eben doch vereinbaren, oder um es kurz und bayrisch zu sagen: Passt scho!
 

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